
Sich saisonal zu ernähren ist weniger eine Diät als vielmehr ein Dialog mit der Natur, der die Intelligenz Ihres Körpers weckt und den wahren Geschmack von Lebensmitteln enthüllt.
- Saisonale Produkte enthalten eine höhere Nährstoffdichte, da sie zum optimalen Zeitpunkt geerntet werden.
- Der Fokus auf regionale und saisonale Lebensmittel stärkt lokale Wirtschaftskreisläufe und reduziert den ökologischen Fußabdruck.
Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit Verboten, sondern mit Neugier. Besuchen Sie einen Wochenmarkt und kaufen Sie ein Gemüse, das Sie noch nie zuvor probiert haben – das ist der erste Schritt.
Wir leben in einer Welt des Überflusses, in der Erdbeeren im Dezember und Spargel im Oktober zur Normalität geworden sind. Doch dieser ständige Zugriff hat einen Preis: Er entfremdet uns von den natürlichen Zyklen der Natur und von der eigenen Körperintelligenz. Viele suchen nach der nächsten Superfood-Sensation aus fernen Ländern, dabei liegt die kraftvollste Nahrungsquelle direkt vor unserer Haustür, im Rhythmus der Jahreszeiten verborgen. Die gängigen Ratschläge, „regional zu kaufen“ oder „auf die Saison zu achten“, bleiben oft an der Oberfläche und klingen nach Verzicht.
Aber was, wenn die wahre Weisheit nicht im Hinzufügen exotischer Pulver, sondern im Wiederentdecken des Naheliegenden liegt? Was, wenn saisonale Ernährung kein Regelwerk, sondern eine Einladung ist, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und wieder in einen Dialog mit der Umgebung zu treten? Dieser Ansatz geht weit über den bloßen Kauf von Gemüse hinaus. Es geht darum, zu verstehen, warum eine sonnengereifte Tomate im August nicht nur besser schmeckt, sondern auch eine andere biologische Botschaft an unseren Körper sendet als ihr wässriges Gegenstück aus dem Winter-Gewächshaus. Es ist eine Rückbesinnung auf eine fast vergessene kulinarische Weisheit.
Dieser Artikel wird Sie durch die fundamentalen Prinzipien dieser Lebensphilosophie führen. Wir werden die wissenschaftlichen Vorteile beleuchten, praktische Tipps für den Einstieg geben, hartnäckige Mythen entlarven und zeigen, wie diese bewusste Entscheidung nicht nur Ihren Teller, sondern auch die Welt um Sie herum positiv verändert.
Für alle, die lieber visuell lernen, bietet das folgende Video einen kompakten Überblick über die Vorteile einer regionalen und saisonalen Ernährung und zeigt, wie einfach der Einstieg sein kann.
Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, finden Sie hier eine Übersicht der Themen, die wir gemeinsam erkunden werden. Jedes Kapitel baut auf dem vorherigen auf und führt Sie tiefer in die faszinierende Welt der saisonalen Kulinarik ein.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Wegweiser zur saisonalen Ernährung
- Essen im Rhythmus der Natur: Warum eine Tomate im Sommer mehr als nur besser schmeckt
- Der Anfänger-Guide für den Wochenmarkt: Wie Sie die besten saisonalen Schätze finden und zubereiten
- Die stille Revolution im Einkaufskorb: Wie Ihre Wahl beim Gemüsehändler die Welt verändert
- Regional ist zu teuer? 5 Mythen über saisonale Ernährung, die Sie bares Geld kosten
- Die Vorratskammer der Großmutter: Wie Sie mit alten Techniken den Sommer im Glas einfangen
- Nicht jeder Veganer is(s)t gesund: Die Falle der industriellen Ersatzprodukte
- Die unsichtbare Flut in Ihrem Kleiderschrank: Wie die Modeindustrie unser Wasser vergiftet
- Die Kraft der ganzen Pflanze: Wie Sie mit unverarbeiteter Kost zu neuer Energie und Gesundheit finden
Essen im Rhythmus der Natur: Warum eine Tomate im Sommer mehr als nur besser schmeckt
Das Geheimnis saisonaler Lebensmittel liegt nicht nur im Geschmack, sondern in ihrer biologischen Perfektion. Eine Pflanze, die im Einklang mit ihrem natürlichen Zyklus wachsen darf, entwickelt ein Maximum an Nährstoffen, um sich selbst zu schützen und fortzupflanzen. Wenn wir sie zu diesem Höhepunkt ihrer Reife essen, nehmen wir diese geballte Lebenskraft in uns auf. Dies ist kein esoterisches Konzept, sondern reine Biochemie. Eine sonnengereifte Tomate hat nicht nur ein intensiveres Aroma, ihr Nährstoffgehalt ist auch signifikant höher. So ist beispielsweise der Vitamin-C-Gehalt in saisonal geerntetem Obst und Gemüse oft deutlich konzentrierter.
Eine Untersuchung zur saisonalen Ernährung bestätigt, dass der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen in Freilandgemüse, das unter optimalen Bedingungen wächst, am höchsten ist. Nehmen wir das Beispiel Lycopin, der rote Farbstoff in Tomaten, der als starkes Antioxidans bekannt ist. Eine Studie zu Tomaten hat gezeigt, dass die höchsten Lycopinwerte bei optimalen Tag- und Nachttemperaturen und starker Sonneneinstrahlung erzielt werden – Bedingungen, die nur im Freilandanbau des Hochsommers natürlich erreicht werden. Gewächshaustomaten im Winter können diesen Nährstoff-Peak niemals erreichen.
Diese zyklische Weisheit der Natur ist tief in unserer eigenen Biologie verankert. Im Sommer versorgt uns die Natur mit wasserreichen, kühlenden Lebensmitteln wie Gurken und Beeren. Im Herbst und Winter liefert sie uns dichte, wärmende Wurzelgemüse und Kohlsorten, die reich an Vitamin C und stärkenden Nährstoffen sind, um unser Immunsystem für die kalte Jahreszeit zu wappnen. Sich saisonal zu ernähren bedeutet also, die eigene Körperintelligenz zu aktivieren und dem Körper genau das zu geben, was er instinktiv braucht. Es ist eine Rückkehr zu einem intuitiven Essverhalten, das unsere Vorfahren über Jahrtausende perfektioniert haben.
Der Anfänger-Guide für den Wochenmarkt: Wie Sie die besten saisonalen Schätze finden und zubereiten
Der Wochenmarkt ist das pulsierende Herz der saisonalen Ernährung. Er ist weit mehr als nur ein Ort zum Einkaufen; er ist ein Raum für sensorische Achtsamkeit und den direkten kulinarischen Dialog mit den Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen. Für Anfänger kann die Fülle jedoch überwältigend sein. Der Schlüssel liegt darin, mit Neugier statt mit einer starren Einkaufsliste zu kommen. Lassen Sie sich von den Farben, Gerüchen und der Präsentation der Waren leiten. Was leuchtet Ihnen entgegen? Was duftet besonders intensiv? Das sind die ersten Anzeichen für Frische und Reife.
Sprechen Sie mit den Erzeugern. Fragen Sie nicht nur, was gerade Saison hat, sondern auch, welche Sorte besonders gut schmeckt oder wie man ein unbekanntes Gemüse am besten zubereitet. Diese Gespräche sind eine unschätzbare Quelle für Wissen und Inspiration. Sie erfahren Details über Anbaumethoden, den Erntezeitpunkt und erhalten oft die besten und einfachsten Rezepte direkt vom Experten. Dies verwandelt den Einkauf von einer Transaktion in eine persönliche Beziehung und stärkt das Vertrauen in die Herkunft Ihrer Lebensmittel.
Ein weiterer Tipp ist, gezielt nach „Ugly Food“ Ausschau zu halten – Gemüse und Obst mit kleinen Schönheitsfehlern. Diese Produkte sind oft günstiger, aber genauso nahrhaft und geschmackvoll wie ihre makellosen Gegenstücke. Der Kauf dieser „Unperfekten“ ist nicht nur ein cleverer Weg, um Geld zu sparen, sondern auch ein aktiver Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung. Der Markt schult unsere Sinne und lehrt uns, Qualität jenseits normierter Industrie-Ästhetik zu erkennen.
Ihr Fahrplan für den Wochenmarkt: 5 Schritte zum bewussten Einkauf
- Sinnliche Bestandsaufnahme: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und beobachten Sie bewusst die Farben, Formen und Gerüche an den Ständen. Was zieht Ihre Aufmerksamkeit an?
- Haptische Prüfung: Berühren Sie die Produkte. Fühlen Sie die feste Haut eines Apfels oder die raue Schale einer Kartoffel. Die Beschaffenheit verrät viel über die Frische.
- Gezielter Dialog: Fragen Sie einen Erzeuger nach seinem Lieblingsprodukt der Woche und warum. Bitten Sie um eine Zubereitungsempfehlung.
- Mut zur Lücke: Kaufen Sie gezielt ein Gemüse, das Sie nicht kennen. Betrachten Sie es als kulinarisches Experiment für die Woche.
- Dankbarkeitsritual: Betrachten Sie zu Hause Ihren Einkauf nicht als eine Liste von Zutaten, sondern als eine Sammlung von Geschichten und saisonalen Schätzen.
Die stille Revolution im Einkaufskorb: Wie Ihre Wahl beim Gemüsehändler die Welt verändert
Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel. Mit jeder Entscheidung für ein regionales und saisonales Produkt geben Sie Ihre Stimme für ein Lebensmittelsystem ab, das auf kurzen Wegen, Transparenz und Artenvielfalt basiert. Diese bewusste Wahl ist eine stille, aber kraftvolle Revolution gegen die Anonymität globalisierter Lieferketten. Sie fördern damit die Ernährungssouveränität – ein Konzept, das die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion wieder in die Hände von lokalen Gemeinschaften und Verbrauchern legt.
„Ernährungssouveränität verbindet Erzeuger und Verbraucher in kurzen Kreisläufen.“
– Slow Food Germany, Slow Food Jahresbericht 2023
Indem Sie direkt vom Erzeuger oder auf dem Markt kaufen, unterstützen Sie nicht nur kleine landwirtschaftliche Betriebe, sondern tragen auch aktiv zum Erhalt der Biodiversität bei. Viele lokale Bauern bauen alte, samenfeste Sorten an, die im industriellen Landbau aufgrund von geringerer Standardisierung oder Transportfähigkeit verschwunden sind. Diese Sorten, wie die „Schwarze Krim“ Tomate oder der „Gelbe badische Riese“ Rettich, sind ein unschätzbares genetisches Erbe und bieten eine oft überlegene Geschmacks- und Nährstoffvielfalt. Ihr Kauf sichert deren Fortbestand und bringt Abwechslung auf Ihren Teller.
Darüber hinaus hat Ihre Entscheidung einen direkten ökologischen Einfluss. Lebensmittel, die für den lokalen Markt bestimmt sind, benötigen keine langen, energieintensiven Kühlketten und verursachen deutlich weniger CO2-Emissionen. Sie sind oft auch weniger aufwändig verpackt. Während laut einer Studie des EU-Parlaments der Anteil der lokalen Vermarktung noch gering ist, zeigt jede bewusste Kaufentscheidung, dass eine Nachfrage für ein anderes, nachhaltigeres System besteht. Ihre Wahl im Kleinen ist somit Teil einer großen Bewegung hin zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit in unserer Lebensmittelversorgung.
Regional ist zu teuer? 5 Mythen über saisonale Ernährung, die Sie bares Geld kosten
Einer der hartnäckigsten Mythen ist, dass eine bewusste, saisonale Ernährung ein Luxus für Besserverdiener sei. Dieses Vorurteil entsteht oft durch den Vergleich von Bio-Marktpreisen mit den Lockangeboten von Discountern für importierte Massenware. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser Mythos als Trugschluss. Der Schlüssel liegt darin, Lebensmittel dann zu kaufen, wenn sie in Hülle und Fülle vorhanden sind. Wenn im Spätsommer die Zucchini- und Tomatenernte ihren Höhepunkt erreicht, sind die Preise auf dem Markt oft unschlagbar günstig, da das Angebot die Nachfrage übersteigt.
Ein direkter Vergleich der Kosten zeigt oft ein klares Bild. Importierte Produkte müssen weite Strecken zurücklegen, was Transport-, Kühl- und Lagerkosten verursacht, die sich im Endpreis niederschlagen. Saisonale Produkte aus der Region haben diese Kosten nicht.
Die folgende Tabelle, basierend auf typischen Marktpreisen, illustriert diesen Unterschied und zeigt das Sparpotenzial, wie es auch eine vergleichende Analyse von Lebensmittelpreisen nahelegt.
Produkt | Saisonpreis (regional) | Importpreis (außerhalb der Saison) |
---|---|---|
Tomaten (August) | 2,50 €/kg | 3,80 €/kg |
Äpfel (Oktober) | 1,80 €/kg | 2,30 €/kg |
Gurken (Juli) | 1,20 €/Stück | 1,90 €/Stück |
Ein weiterer finanzieller Aspekt ist die Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Saisonale Produkte sind frischer und halten bei richtiger Lagerung länger. Zudem sind die versteckten Kosten der industriellen Landwirtschaft enorm. Dazu gehören nicht nur ökologische Folgekosten, sondern auch direkte Verluste in der Lieferkette. Eine Thünen-Studie zu Lebensmittelverlusten zeigt, dass allein durch ästhetische Standardanforderungen erhebliche Mengen einwandfreier Lebensmittel aussortiert werden. Indem Sie „unperfektes“ Gemüse kaufen oder direkt beim Erzeuger, umgehen Sie diese verlustreiche Kette und zahlen nur für das, was Sie tatsächlich essen.
Die Vorratskammer der Großmutter: Wie Sie mit alten Techniken den Sommer im Glas einfangen
Saisonal zu leben bedeutet nicht, im Winter auf den Geschmack des Sommers verzichten zu müssen. Ganz im Gegenteil: Es ist eine Einladung, die Fülle der Erntezeit wertzuschätzen und sie mit traditionellen Konservierungstechniken für die kargeren Monate haltbar zu machen. Das Einmachen, Fermentieren, Trocknen oder Einfrieren ist die Brücke zwischen den Jahreszeiten und eine zutiefst befriedigende Tätigkeit. Sie verwandelt passive Konsumenten in aktive Gestalter der eigenen Lebensmittelversorgung. Die Vorratskammer wird so zu einem lebendigen Archiv der vergangenen Ernten.
Diese Methoden sind nicht nur praktisch, sondern auch aus gesundheitlicher Sicht wertvoll. Insbesondere die Fermentation, die Herstellung von Sauerkraut, Kimchi oder fermentiertem Gemüse, ist eine kulinarische Alchemie. Milchsäurebakterien wandeln Zucker in Milchsäure um, was das Gemüse nicht nur haltbar macht, sondern auch mit probiotischen Kulturen anreichert. Diese lebendigen Mikroorganismen sind essenziell für eine gesunde Darmflora. Eine Fallstudie zeigte beispielsweise eine signifikante Zunahme von nützlichen Lactobacillus-Arten im Darm von Personen, die regelmäßig fermentierte Produkte zu sich nahmen, was die Verdauung und das Immunsystem stärkt.
Darüber hinaus ist das Konservieren ein wirksames Mittel gegen Lebensmittelverschwendung. Wenn Sie im Sommer eine große Kiste reifer Tomaten günstig erwerben, können Sie daraus eine köstliche Sauce für den ganzen Winter kochen. Laut einer Initiative gegen Lebensmittelverschwendung von Lidl können Haushalte durch bessere Planung und Vorratshaltung ihre Lebensmittelabfälle erheblich reduzieren. Das Anlegen einer Vorratskammer ist somit nicht nur ökonomisch und ökologisch sinnvoll, sondern verbindet uns auch mit dem Wissen unserer Großmütter und schafft eine tiefere Wertschätzung für den Kreislauf der Natur.
Nicht jeder Veganer is(s)t gesund: Die Falle der industriellen Ersatzprodukte
Der vegane Lebensstil hat in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen, angetrieben von ethischen und ökologischen Motiven. Doch dieser Trend hat auch eine industrielle Schattenseite hervorgebracht: den Markt der hochverarbeiteten Fleisch- und Milchersatzprodukte. Viele dieser Produkte, von veganen Würstchen bis hin zu Käsealternativen, sind zwar pflanzlich, aber weit entfernt von einer vollwertigen und gesunden Ernährung. Sie enthalten oft lange Zutatenlisten mit isolierten Proteinen, Verdickungsmitteln, künstlichen Aromen und hohen Mengen an Salz und gesättigten Fetten.
Hier offenbart sich eine kritische Diskrepanz: Man kann sich vegan ernähren und dennoch die Prinzipien einer gesunden, saisonalen Ernährung komplett ignorieren. Der Griff zum industriellen Veggie-Burger aus Sojaprotein-Isolat ist ernährungsphysiologisch oft nicht besser als sein fleischliches Pendant aus der Massentierhaltung. Diese Produkte können zudem Nährstoffdefizite aufweisen. Eine Studie im Journal of Clinical Nutrition fand heraus, dass viele Fleischersatzprodukte signifikant weniger Eisen und Zink enthalten als echtes Fleisch, und das in einer Form, die vom Körper schlechter aufgenommen wird.
Der wahre Geist einer pflanzenbasierten Ernährung liegt nicht im Ersetzen, sondern im Zelebrieren der Vielfalt von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen in ihrer ganzen Form. Ein Linsenbolognese mit saisonalem Wurzelgemüse oder ein Burger-Patty aus schwarzen Bohnen und Pilzen sind nicht nur gesünder, sondern auch geschmacklich authentischer und oft preiswerter. Der Fokus sollte darauf liegen, die ganze Pflanze zu nutzen, anstatt auf industrielle Imitate zurückzugreifen. Eine vollwertige, pflanzliche Kost, die sich am Saisonkalender orientiert, ist die kraftvollste und ehrlichste Form des Veganismus – gut für den Körper, die Tiere und den Planeten.
Die unsichtbare Flut in Ihrem Kleiderschrank: Wie die Modeindustrie unser Wasser vergiftet
Auf den ersten Blick scheint die Verbindung zwischen saisonaler Ernährung und unserem Kleiderschrank weit hergeholt. Doch bei genauerer Betrachtung offenbaren sich erschreckende Parallelen zwischen den Systemen von „Fast Food“ und „Fast Fashion“. Beide basieren auf der Missachtung natürlicher Zyklen, der Ausbeutung von Ressourcen und der Produktion von billiger Massenware, die schnell konsumiert und weggeworfen wird. Die Tomate, die im Winter um die halbe Welt fliegt, und das T-Shirt, das für eine Saison produziert wird, sind zwei Seiten derselben Medaille einer nicht nachhaltigen Konsumkultur.
„Fast Fashion und Fast Food eint der Verzicht auf natürliche Zyklen.“
– Umweltexpertin Prof. Dr. Laura Klein, UmweltJournal 2025
Ein zentrales Problem der Textilindustrie ist ihr immenser Wasserverbrauch und die damit verbundene Verschmutzung. Der Anbau von konventioneller Baumwolle, der Basis vieler Kleidungsstücke, benötigt riesige Mengen an Wasser und Pestiziden. Einem Bericht von Slow Food zufolge kann die Produktion eines einzigen T-Shirts mehrere tausend Liter Wasser verbrauchen. Hinzu kommt die chemische Belastung durch Färbe- und Veredelungsprozesse, deren Abwässer oft ungeklärt in Flüsse und Meere gelangen und dort ganze Ökosysteme zerstören.
Die Entscheidung für eine saisonale Ernährung schärft das Bewusstsein für diese globalen Zusammenhänge. Wer versteht, warum eine lokale Karotte besser ist als eine importierte, fängt an, auch bei anderen Konsumgütern kritische Fragen zu stellen. Woher kommt meine Kleidung? Unter welchen Bedingungen wurde sie hergestellt? Gibt es Alternativen wie Second-Hand, langlebige Qualität oder Kleidung aus nachhaltigen, regionalen Fasern wie Leinen oder Hanf? Ein Pilotprojekt zur Nutzung von Hanffasern zeigte beispielsweise ein enormes Potenzial zur Reduzierung des Wasserverbrauchs. Die Philosophie des saisonalen Denkens – Achtsamkeit, Wertschätzung und Zyklizität – ist somit ein universeller Schlüssel für einen nachhaltigeren Lebensstil, der weit über den Tellerrand hinausgeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Saisonale Ernährung ist keine Diät, sondern eine Rückkehr zur Körperintelligenz und zum Rhythmus der Natur.
- Regionale und saisonale Produkte sind nährstoffreicher, schmecken besser und sind oft günstiger als importierte Waren.
- Ihre bewusste Kaufentscheidung unterstützt lokale Bauern, fördert die Artenvielfalt und reduziert Ihren ökologischen Fußabdruck.
Die Kraft der ganzen Pflanze: Wie Sie mit unverarbeiteter Kost zu neuer Energie und Gesundheit finden
Der ultimative Nutzen einer saisonalen Ernährung entfaltet sich, wenn wir uns auf die Kraft der ganzen, unverarbeiteten Pflanze konzentrieren. Dieses Prinzip bildet die Synthese aus allen vorherigen Überlegungen. Es bedeutet, ein Lebensmittel so nah wie möglich an seinem natürlichen Zustand zu konsumieren. Eine Kartoffel aus der Erde ist mehr als nur Stärke; sie ist ein komplexes Paket aus Vitaminen, Mineralien, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen, die in einer perfekten Synergie zusammenwirken. Wenn wir diese Kartoffel zu einem industriellen Pulver verarbeiten, geht diese Komplexität und damit ein Großteil ihres gesundheitlichen Wertes verloren.
Eine Ernährung, die reich an vielfältigen, saisonalen Pflanzenfasern ist, ist die beste Nahrung für unser Mikrobiom – die Gemeinschaft von Billionen von Mikroorganismen in unserem Darm, die unsere Verdauung, unser Immunsystem und sogar unsere Stimmung regulieren. Jede Pflanzenart füttert unterschiedliche Bakterienstämme. Ein bunter, saisonal variierender Speiseplan sorgt also für ein diverses und resilientes Darm-Ökosystem. Laut einer klinischen Studie kann eine solche nährstoffdichte Ernährung nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit und Konzentration verbessern.
Der Umstieg auf eine vollwertige, saisonale Kost muss nicht kompliziert sein. Beginnen Sie damit, bei jeder Mahlzeit eine zusätzliche Farbe in Form von Gemüse oder Obst hinzuzufügen. Ersetzen Sie eine verarbeitete Beilage durch eine ganze Alternative, wie zum Beispiel Pellkartoffeln anstelle von Pommes Frites oder einen Apfel anstelle eines Müsliriegels. Dieser Weg führt Sie nicht nur zu mehr Energie und Vitalität, sondern auch zu einem tieferen Verständnis und einer neuen Wertschätzung für die einfachen, aber kraftvollen Geschenke der Natur. Es ist die Wiederentdeckung einer einfachen Wahrheit: Die beste Nahrung ist nicht die, die am meisten beworben wird, sondern die, die am lebendigsten ist.
Beginnen Sie noch heute damit, diese Weisheit in Ihre Küche zu integrieren. Der nächste logische Schritt ist, Ihren lokalen Saisonkalender zu erkunden und Ihren nächsten Einkauf bewusst als kulinarische Entdeckungsreise zu planen.
Häufig gestellte Fragen zur saisonalen Ernährung
Wie erkenne ich reifes saisonales Obst?
Achten Sie auf eine intensive, sortentypische Farbe, eine feste, aber bei leichtem Druck etwas nachgiebige Schale und vor allem auf einen authentischen, aromatischen Duft. Eine reife Frucht riecht so, wie sie schmecken sollte.
Welche Fragen helfen beim Gespräch mit Erzeugern?
Fragen Sie nach dem genauen Erntezeitpunkt („Wann wurde das geerntet?“), der spezifischen Sorte („Welche Apfelsorte ist das und ist sie eher süß oder säuerlich?“), den Anbaumethoden und persönlichen Zubereitungstipps („Wie essen Sie diesen Kürbis am liebsten?“).
Warum „Ugly Food“ kaufen?
„Ugly Food“, also Gemüse und Obst mit kleinen Schönheitsfehlern, ist oft deutlich preiswerter, obwohl es genauso nahrhaft und geschmackvoll ist. Der Kauf dieser Produkte ist ein starkes Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung und die starren ästhetischen Normen der Lebensmittelindustrie.